Kaiserschnitt – ein stressfreierer Start fürs Baby?
Neulich war ich mit einer Freundin zum Mittagessen verabredet und da ich ein wenig zu früh dran war, bestellte ich mir schon mal einen Eistee und beschloss, die angenehme Sommersonne im Schanigarten (ohne quirligem 2-jährigen ;)) zu genießen. Herrlich entspannend so eine kurze Auszeit vom Mama-Alltag – da stört mich, sonst eher ungeduldig, das Warten gar nicht… Ich sitze also so da, denke an nichts… und plötzlich spitzen sich meine Ohren, als sich drei Damen um die 40 am Nebentisch über das Thema „Kinder-kriegen“ austauschen: „Ich glaube ja überhaupt, dass so ein Kaiserschnitt für die Babys an sich viel stressfreier ist… Da sind sie den Strapazen einer normalen Geburt nicht ausgesetzt…“. Ich spüre förmlich, wie sich sekundenschnell nach dieser Aussage alles in mir sträubt und ich denke, „das gibt’s doch nicht, dass man tatsächlich heutzutage so darüber denken kann?“. Für mich Grund genug, im folgenden Beitrag ein paar aufklärende Denkanstöße niederzuschreiben, um aufzuzeigen, welchen Einfluss der Modus der Geburt vor allem auf das Baby hat. Nicht umsonst hat die Natur den Beckenausgang als Geburtsweg auserkoren…
Was die Fachliteratur sagt…
Stöbert man ein wenig in der Fachliteratur zum Thema „Nachteile der Sectio“, so werden vordergründig Risiken für Mutter und Kind genannt, die während oder nach der Operation auftreten können. So werden als Komplikationen auf mütterlicher Seite etwa
- Narkosezwischenfälle,
- erhöhter Blutverlust,
- Wundinfektionen,
- Embolien & Thrombosen im Wochenbett und
- Uterusruptur bei Folgeschwangerschaften genannt.
Für das Baby stehen die Anpassungsstörungen an das „Leben außerhalb der Gebärmutter“ im Zentrum, so etwa:
- Fruchtwasser in der Lunge
- Atemschwierigkeiten und
- Stillprobleme
Alles soweit klar und deutlich, aber was steckt dahinter?
Babys brauchen den Stress der Geburt
Auf den ersten Blick scheinen die Nachteile der Sectio für das Baby nicht sehr gewichtig, doch ein genaueres Hinsehen lohnt sich.
Die Natur hat schon ein ausgeklügeltes System entwickelt, als es den weiblichen Beckenausgang als Route auf unsere Welt festgelegt hat. Viel Sinnvolles geschieht mit dem Babykörper auf dem – zugegebenermaßen nicht einfachen – Weg nach Draußen. Das kleine Wesen wird einem immensen Druck ausgesetzt, was viele dazu verleitet, von einem „Geburtsstress“ zu sprechen – dieser schadet dem Baby jedoch nicht, ganz im Gegenteil – die einwirkenden Kräfte haben auch einen wichtigen Grund:
Einfluss auf die Lunge
So wird der kindliche Körper auf dem engen Weg durch das mütterliche Becken richtig gehend massiert, sodass die Lungenflüssigkeit wie ein Schwamm ausgedrückt wird. Nebenbei werden Hormone ausgeschüttet, die zur weiteren Reifung der Lungen beitragen. Klar resorbiert sich die Lungenflüssigkeit bei Kaiserschnitt-Babys mit der Zeit von selbst, doch die Atmung ist bis dahin erschwert.
Einfluss auf das Immunsystem
Natürliche Wehentätigkeit funktioniert durch ein komplexes Zusammenspiel von Hormonen. Fehlen diese natürlichen Reize, fehlt auch eine Stimulation für das Immunsystem: Denn Studien belegen, dass während der Passage durch den Geburtskanal Haut, Nägel und Haare des Babys mit nützlichen Mikroben der Darm- & Vaginaalflora sowie der Haut seiner Mutter besiedelt werden – dadurch findet gewissermaßen die erste „Impfung“ des Babys statt.
Einfluss auf die Darmgesundheit
Die Vielfältigkeit der Darmflora (Bakterien wie Bacteroides, Bifidobacteria und Lactobacilli) ist bei Kaiserschnittbabys stark vermindert bis sogar abwesend. Nicht nur das Immunsystem leidet deshalb unter dem Fehlen dieser Bakterien, auch der Aufbau einer natürlichen Darmflora ist erschwert.
Einfluss auf das „Mama-Baby-Team“
Das Baby schüttet während der natürlichen Geburt fetales Adrenalin aus, was dem Baby Schutz bietet und eine Erleichterung an den Geburtsprozess erlaubt – außerdem macht es das Baby wachsam, aufmerksam und beziehungsbereit. Die Natur hat also vorgesehen, dass direkt nach dem Ankommen ein erstes Kennenlernen zwischen Mama und Baby unter höchster Konzentration möglich ist.
Doch hier ist der Haken beim Kaiserschnitt: Die frisch gebackene Mama bekommt gezwungenermaßen eine Reihe von unterschiedlichen Medikamenten im Rahmen der OP und diese unterdrücken auf weite Strecken die Hormonproduktion des Liebes- & Glückshormons Oxytocin. Die geringe Ausschüttung ist dafür verantwortlich, dass man dieses einzigartige Hochgefühl nach einer Geburt nur sehr gedämpft wahrnimmt. Nebenbei hängt die Oxytocinproduktion auch mit dem Ingangkommen der Milchproduktion zusammen und ihr könnt euch schon vorstellen, dass auch die anfangs so häufigen Stillprobleme u.a. darauf zurückzuführen sind. Das sensible hormonelle Zusammenspiel mit all seinen gewinnbringenden Effekten für Mama und Baby ist während einer Sectio einfach nicht gegeben.
Abschließend möchte ich betonen, dass es außer Frage steht, dass die Möglichkeit eines Kaiserschnittes im Notfall eine wunderbare Errungenschaft der modernen Medizin ist – aber wie gesagt, eben nur im Notfall. Wir müssen uns davor hüten, die scheinbar saubere, unkomplizierte Art des Geboren-werdens als Weg anzusehen, unseren Kindern einen einfacheren Start ins Leben zu ermöglichen. Denn damit nehmen wir unseren Kindern die Möglichkeit und Herausforderung, einen zwar anstrengenden, aber leistbaren Weg zu gehen. Und wer weiß, wo sich diese gesammelten Erfahrungen festschreiben und möglicherweise sogar ein Stück weit unsere Persönlichkeit mitgestalten?